Die Töne der Maultrommel:
Naturtonreihe und Resonanzen

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+ Die spielbaren Töne: Naturtonreihe
+ Resonanzräume: Klänge und Töne, Melodie und Begleitung
+ Offener und geschlossener Vokaltrakt
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mehrerer Maultrommeln


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In diesem Kapitel geht es um Hintergrundwissen: Es beginnt mit der Tonerzeugung und den ganz bestimmten Tönen der Maultrommeln, die bei jedem Instrument je nach Stimmung festgelegt sind - die Naturtonreihe . Den Klang bestimmen die Resonanzen im Mund- und Rachenraum des Spielers. Mit diesen Resonanzräumen wird die Maultrommel gespielt - Mund und Rachen bilden auch die Laute beim Sprechen sind daher gut geübte Klangorgane.

Tonerzeugung

Die Maultrommel ist schwer in das System der Musikinstrumente einzuordnen. Sie wird einerseits zu den Idiophonen, den Selbstklingern gestellt, deren Töne durch Eigenschwingung hervorgebracht werden, und zwar zusammen mit den Spieldosen zu den Zupfidiophonen: Die Töne werden durch eine selbstschwingende Zunge erzeugt, die angerissen oder gezupft wird. Andererseits gehören die Maultrommeln zu den Aerophonen, deren Töne durch schwingende Luftsäulen (z.B. Flöten) oder schwingenden Luftstrom (Harmonikainstrumente, z.B. Mundharmonika, Akkordeon) erzeugt werden. Die Verwandtschaft zu den Harmonikainstrumenten zeigt sich, wenn die Zunge von selbst auch ohne Zupfen zu klingen beginnt, wenn durch die an die Lippen bzw. Zähne gehaltene Maultrommel Luft eingesogen oder ausgestoßen wird. Clemens Voigt von Dan Moi (siehe Internet-Links) verriet mir wie der Effekt funktioniert: Die Zunge darf nicht ganz mit dem Rahmen in einer Ebene sein, und der Luftstrom muss sie zurück zum Rahmen ziehen (Abbildung 1, Maultrommel im Querschnitt).

Abbildung 1

Tonerzeugung mit Luftstrom


Bei Bügelmaultrommeln kann man beim Halten der Maultrommel wie auf Abbildung 1 im Kapitel Spieltechnik die Basis der Zunge mit dem Daumen leicht drücken und dann Luft anziehen. Jetzt funktioniert die Maultrommel wie eine Mundharmonika: Auch bei den Harmonikainstrumenten wird eine Metallzunge durch einen Luftstrom zum Schwingen angeregt. In Klangbeispiel 14 (64 KB) hört man zuerst den Ton c auf einer Mundharmonika, dann auf der Maultrommel normal gezupft und dann durch eingesogene Luft auf der Maultrommel angeregt.
Die spielbaren Töne: Naturtonreihe Seitenanfang
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In unserem üblicherweise verwendeten Tonsystem ist die Oktave in 12 gleiche Halbtöne geteilt (temperierte oder enharmonische Stimmung). Das bedeutet, dass die Anzahl Schwingungen pro Sekunde irgendeines Tones mit dem immer gleichen Faktor multipliziert die Schwingungen des nächsthöheren Halbtones ergibt. Dieser Faktor ist genau so groß, dass eine 12 mal damit wieder und wieder multiplizierte Schwingungszahl genau verdoppelt wird, also wieder den gleichen Ton eine Oktave höher ergibt (zwölfte Wurzel aus zwei = 1,059463). Da benachbarte Halbtöne immer um den gleichen Faktor unterschiedlich schwingen, ist die absolute Differenz der Schwingungen bei tiefen Tönen geringer als bei hohen.

Die Tonreihen der Maultrommeln (und aller anderen Naturton-Instrumente) sind anders aufgebaut: Die Metallzunge jeder Maultrommel schwingt in einem bestimmten Grundton, z.B. Ton G: 98 mal je Sekunde (Frequenz = 98 Hz) oder z.B. Ton B1 (58,3 Hz). Mit dem Grundton schwingen immer zugleich die Obertöne mit. Bei einem sogenannten harmonischen Klang, wie ihn die Maultrommelzunge erzeugt, sind ihre Frequenzen die Vielfachen der Frequenz des Grundtons. Die Maultrommel in G spielt sozusagen das Ein Mal 98, die in B1 das Ein Mal 58,3. Das ist in Abbildung 2 zu sehen: Der Klang einer Maultrommel in B1 wurde frei, ohne Kontakt zum Mund d.h. ohne Resonanzen aufgenommen (Klangbeispiel 15a, 126 kB). Mit dem Freeware-Programm Audacity wurde das Frequenzspektrumder Aufnahme bestimmt. Jede Spitze der grünen Kurve zeigt einen Ton der Metallzunge. Die Töne liegen ganz gleichmäßig etwa alle 58 Hz. Die erste Spitze unter dem ersten grauen Dreieck ist der Grundton. Dannfolgt als kleine Spitze der erste Oberton, als größere Spitze der zweite Oberton usw. Die gelbe Kurve zeigtdas Frequenzspektrum einer Aufnahme der selben Maultrommel normal am Mund gespielt, also mit Resonanz (Klangbeispiel 15b, 130 kB).

Anmerkung: Ohne Resonanz (grüne Kurve) sind die von links gezähltungeraden Obertöne (1., 3. usw.) leiser als die geraden (2., 4. usw). Das ist typisch für Federn, die an einer Seite befestigtsind und an der anderen frei schwingen. Der Grund ist Physik: Am freien Ende bilden sich besser Schwingungsbäuche als Schwingungsknoten. Für weitere Erklärungen siehe die Literatur unten auf dieser Seite.

Abbildung 2
frequenzspektrum

Grundton und Obertöne bilden die Naturtonreihe. Der erste Oberton schwingt doppelt so schnell wie der Grundton, ist also eine Oktave höher (in Abbildung 2 Ton B, unter dem zweiten Dreieck). Töne innerhalb dieserOktave spielt die Maultrommel nicht. Die nächste Oktave (Ton b) schwingt wieder doppelt so schnell, also viermal wie der Grundton (3. Dreieck, dritter Oberton, 58,3 Hz x 4 = 233,2 Hz). Hier gibt es einen Zwischenton:3 x 58,3 Hz = 174,9 Hz, das entspricht ungefähr dem Ton f, der in der enharmonischen Stimmung 174,6 Hz hat (zweiter Oberton). In die nächste Oktave bis b1 (viertes Dreieck) fallen schon drei Zwischentöne. So werden die Tonabstände der spielbaren Naturtonreihe, im Beispiel also des Ein Mal 58,3, nach oben hin immer enger.

Ein weitere Beispiel zeigt die Animation in Abbildung 3. Die graue Kurve ist das Frequenzspektrum einer Maultrommel in G ohne Resonanzen: Sie wurde in einen Schraubstock gespannt, gezupft und aufgenommen. Die roten Kurven zeigen die Frequenzspektren der selben Maultrommel normal am Mund gespielt, also mit Resonanz. Die Animation zeigt nacheinander die Spektren der Einzeltöne einer Tonleiter, die auf der Maultrommel gespielt wurde (Klangbeispiel 16, 260 kB). Die Resonanzen im Mundraum verstärken dabei immer höhere Frequenzbereiche des Spektrums. Dazu unten mehr.

Abbildung 3

(x-Achse: Frequenz in Hz; y-Achse: Pegel in dB)

offen-Animation
Robert Vandré, 2016



Die spielbaren Naturtöne entsprechen nicht genau den Tönen der enharmonischen Tonleiter. Der 10. Oberton liegt fast genau zwischen zwei Halbtöne der Tonleiter. Diese Abweichungen der Obertöne von den Tonleitertönen werden in hundertstel Halbtönen, den so genannten Cent, angegeben. Grundtöne aus dem enharmonischen Tonleitersystem passen sich mit ihren Obertönen immer gleich in dieses System ein: Der 10. Oberton weicht bei jedem Grundton um 49 Cent vom Tonleiterton ab. 

Tabelle 1 zeigt vom Grundton ausgehend, wie sich die Naturtonreihe (dunkelgrau hinterlegt) in die normale Tonskala (hellgrau) einpasst. Dies gibt also einen Überblick, welche Melodietöne auf Maultrommeln gespielt werden können. Vor allem bei hoch gestimmten Maultrommeln liegen größere Lücken zwischen den spielbaren Tönen. Eine Übersicht über die absoluten Naturtonreihen aller gestimmten Maultrommeln gibt eine ausführlichere Naturtontabelle (mit Erläuterungen als pdf, 68 KB).

Tabelle 1
Erläuterung rechts und/oder unten im Anschluss

Tonleiter der MaultrommelErläuterung

Die enharmonischen Skala ist vom Maultrommel-Grundton aus von links oben nach rechts unten fortschreitend dargestellt. Die Töne stehen von tiefen zu höheren untereinander.
Jede graue Spalte stellt eine Oktave mit 12 Halbtönen und dem ersten Ton der folgenden Oktave dar. Die Töne und ihre Oktaven stehen zeilenweise nebeneinander. Die erste Spalte reicht vom Grundton der Maultrommel bis zur 1. Oktave, die zweite beginnt mit der 1. Oktave bis zur 2. und so fort.
Der Grundton und seine Obertöne sind dunkelgrau hinterlegt.
Die fette Zahl gibt die Nummer des Obertons an, die kleine kursive die Abweichung des Obertons von der enharmonischen Tonskala in Cent. Negative Zahlen bedeuten Abweichungen nach unten.
Rechts und links von den grauen Spalten sind die Dur- und Moll-Tonleiter auf dem Grundton der Maultrommel als Kreise dargestellt. Unter der Tabelle ist durch Linien dargestellt, welche Oktaven der Naturtonreihe in etwa im Bereich der Resonanzen des Mund- und Rachenraums liegen und also gespielt werden können. Die dicke Linie bezeichnet die Hauptresonanz (2. Formant, siehe unten), die dünne die tiefere Nebenresonanz (1. Formant, siehe unten).
Maultrommeln mit tieferem Grundton können mehr Zwischentöne spielen als solche mit höherem. So spielt z.B. eine Maultrommel mit dem Grundton A1 (55 Hz) das Ein Mal 55, während die Maultrommel der Klangbeispiele in G das Ein Mal 98 als Tonreihe hat. Alle 55 Hz ein Oberton ergibt natürlich mehr Schritte im Resonanzbereich zwischen 250 und 2000 Hz als einer alle 98 Hz.
In Klangbeispiel 16 (260 kB) sind nacheinander die 9 spielbaren Töne der 4. Oktave (4. Spalte der Tabelle) auf einer Maultrommel in G zu hören.


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Bei der Maultrommel machen die Resonanzen der Hohlräume im Kopf- und Brustbereich die Musik. Die Maultrommel schnarrt vor dem Mund. Sie regt dabei die in den Hohlräumen in Kopf, Hals und Brust eingeschlossene Luft zum mitschwingen an. Dieser Gleichklang zwischen zwei Schwingungen, die sich verstärken, wird in der Physik Resonanz genannt. Die schwingende Luft verstärkt dabei - je nach dem wie die Hohlräume gerade geformt sind - bestimmte Töne der Naturtonreihe der Maultrommelzunge. Das ist in Abbildung 2 und 3 zu sehen: Normal am Mund gespielt (gelbe bzw. rote Frequenzspektren) hat die Maultrommel die gleichen Töne wie allein ohne Mund (grünes bzw. graues Spektrum), d.h. die Spitzen liegen bei genau den gleichen Frequenzen. Der Klang ist aber durch Resonanz verändert, und bestimmte Frequenzbereiche sind hervorgehoben. Solche durch Resonanz hervorgehobenen Frequenzbereiche nennt man Formanten. Die Resonanzen des Mundraumes und der anderen Hohlräume sind also Filter, die den vorgegebenen Klang der Maultrommelzunge an bestimmten Frequenzbereichen (den Formanten) verstärken und an anderen abschwächen - so wie ein Equalizer den Klang elektronisch beeinflusst, d.h. filtert.

Das Frequenzspektrum des Resonanzraum-"Filters" kann man sichtbar machen: In Abbildung 4 oben wurde für einen Ton aus der Tonserie in Abbildung 3 (vgl. Klangbeispiel 16 - 11.Oberton) von der Frequenzkurve des gespielten Tones diejenige der Maultrommel alleine abgezogen. Die resultierende Differenzkurve zeigt den Verstärkungs- und Abschwächungseffekt der Resonanz. Etwa bei 1200 Hz zeigt sich der Formant als "Gipfel". Entsprechend liegt hier der gespielte Ton.
Den Filter kann man auch direkt hörbar machen: Bei gleicher Mund- und Zungenstellung, aber ohne Maultrommel, wurde mit der Hand an den Winkel der leicht geöffneten Lippen geklopft. Das Frequenzspektrum dieses Klangs hat einen ähnlichen Verlauf wie die Differenzkurve, wieder mit dem Formanten um 1200 Hz (Abbildung 4 unten).

Abbildung 4

Filterspektrum der Resonanz im Mundraum


Zwischenergebnis: Die Töne einer Maultrommel liegen unveränderlich fest. Der Klang aber ist sehr variabel und reagiert auf feinste Veränderungen der Resonanzen im Mund, zum Beispiel durch Bewegungen der Zunge.

Mehrere Formanten können gleichzeitig wirksam sein. Dazu mit Klangbeispiel 17 (70 KB) ein kleines Experiment auf einer Maultrommel in C: Die Maultrommel wird 12 mal gezupft. Die ersten vier Schläge spiele ich den Ton e3 und dazu als tiefe Begleitung den Ton g1 (Abbildung 4, grüne Kurve). Die nächsten vier Schläge sind die Töne g und e vertauscht: Ich spiele den Ton g3 und dazu tief e1 (Abbildung 4, rote Kurve). e1 ist der 4. Oberton einer Maultrommel in C. Die letzten vier Schläge spiele ich "offen", d.h. wie beim Vokal a (nicht in Abbildung 5 dargestellt). Abbildung 5 zeigt nicht die ganzen Frequenzspektren, sondern nur die Frequenzspitzen. Die hervorgehobenen Klangbereiche, also die Formanten, sind als Berge zu sehen, deren Gipfel nahe bei den Tönen liegen, die ich spielen wollte. Wieder liegen die Frequenzspitzen beider Kurven bei den gleichen Frequenzen.


Abbildung 5

Resonanzbereiche, Formanten

Der am deutlichsten hörbare Frequenzbereich der Maultrommel liegt etwa zwischen 500 und 2000 Hz. Hier liegen auch die höchsten Gipfel der beiden Klänge/Kurven in Abbildung 4 (blau hinterlegt). Dies ist der 2. Formant des Vokaltraktes. Vokaltrakt nennt man die Resonanzräume oberhalb der Stimmritze, die beim Sprechen wesentlich für die Klangbildung sind. Mit dem 2. Formanten kann man Melodien auf der Maultrommel spielen (siehe Spieltechniken: Melodiespiel). Auch der tiefere und weniger deutliche 1. Formant im Bereich 250 bis 1000 Hz, ebenfalls bei der Sprachbildung wichtig, kann mit der Maultrommel hörbar gemacht werden - etwa für Begleittöne. In Abbildung 4 zeigt er sich bei den linken, niedrigeren Kurvengipfeln (rot hinterlegt). Im Stück "Kein schöner Land" (siehe Musikstücke) ist die erste Strophe ohne, die zweite mit hervorgehobenen Begleittönen gespielt.

Verschiedene Resonanzräume und Organe im Kopf und Hals sind in Abbildung 6 links dargestellt. Vor allem die Zunge und die Stimmritze bestimmen den Klang beim Maultrommelspielen.  Rechts sind die Bereiche im Mund- und Halsbereich hervorgehoben, die sich bewegen, wenn beim Melodiespiel der 1. (rot) und der 2. Formant (blau) verändert werden.

Abbildung 6
Resonanzräume Formanten

Die Form des Vokaltraktes bestimmt die Resonanzen und Formanten. Die Bewegungen des Kehlkopfes, der Zunge, des Unterkiefers und der Lippen beeinflussen den Klang beim Sprechen und beim Maultrommel Spielen. Laut der Literatur sind die Zusammenhänge zwischen der Form des Vokaltraktes und den Formanten komplex. Zwei Grundprinzipien könne sich aber mit einem einfachen Flaschenexperiment nachvollziehen lassen. Dabei ist die Flasche ein Modell für den Vokaltrakt. Die Öffnung entspricht dem geöffneten Mund. Wenn man über die Flaschenöffnung bläst wie über eine Panflöte, kann man den Klang des Flaschenhohlraums als Ton hören. Verschieden geformte Flaschen haben - auch bei gleichem Volumen - verschiedene Tonhöhen. Hier wurden verschieden geformten 1l-Plastikflaschen verwendet (Abbildung 7): Der Ton wird tiefer, wenn der Hohlraum nahe der Öffnung verengt wird oder wenn er am entgegengesetzten Ende erweitert wird. Entsprechend klingt die bauchige Flasche mit schmalem Hals (links) tiefer als die gleichmäßig geformte Flasche (Mitte). Eine Verkleinerung oder Verkürzung des Hohlraumes erhöht den Ton. Daher wird der Flaschenton höher, wenn die Flasche teilweise mit Wasser gefüllt wird (rechts). 

Abbildung 7

Flaschentöne

 
Ein Maultrommelspieler kann also, in dem er den Vokaltrakt verformt, einen bestimmten Umfang an Tonfrequenzen verstärken. Dieser Umfang ist nicht abhängig vom Grundton der Maultrommel. Welche Obertöne innerhalb dieses Tonumfanges durch die Maultrommel angeregt werden, das jedoch hängt vom Grundton und seinen Obertönen ab. Regina Plate gibt einen Bereich von 500 bis 2000 Hz an, den der Mund verstärken kann, also zwei Oktaven. Nach meiner Erfahrung reicht der Tonumfang etwas weiter, bis etwa 2300 Hz. Nach unten zu wird der tiefe Resonanzbereich des 1. Formanten ab ca. 250 Hz wirksam. Der Tonumfang des Mundes als Resonanzraum ist sicher bei jedem Spieler verschieden. Ausgehend vom Grundton der Maultrommel kann man in der Naturtontabelle (pdf, 69 kB) die spielbaren Töne nachschauen.

Offener und geschlossener Vokaltrakt Seitenanfang
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Wenn man mit etwas Atem Maultrommel spielt, ist der Vokaltrakt zum Mund hin und zur Lunge hin offen. Wenn man dagegen die Stimmritze schließt (siehe Spieltechnik, Effekte), oder wenn die Zunge den Mundraum am Gaumen verschließt, wie wenn man den Laut "ng" in der Nachsilbe "-ung" spricht, dann ist der Vokaltrakt nur zum Mund hin offen, zur anderen Seite aber geschlosen. Mit einem "geschlossenen" Resonanzraum klingt die Maultrommel anders, und die Tonleiter zeigt folgende Eigenart: Die geradzahligen Obertöne (das heißt die Obertöne mit geraden Nummern in Tabelle 1, siehe weiter oben) werden gut verstärkt und können deutlich gespielt werden, ungeradzahligen dagegen nicht. Mit "offenen Resonanzräumen können geradzahlige wie ungeradzahlige Töne gespielt werden. Beispielsweise in der traditionellen Maultrommelmusik in Norwegen spielen die Musiker die jeweiligen Töne der Tonleiter entsprechend offen und geschlossen. Das wird auf dem folgenden Bild aus einem Kurs des Norwegischen Maultrommelforums (Norsk Munnharpeforum) gezeigt.

Tonleiter mit offenen und geschlossenen Tönen, Norsk Munnharpeforum

Quelle: www.munnharpe.no/nmf_festivalar.html , 2015
Åpen = offen, Lukket = geschlossen.
Die Zählung ist leider anders als in diesem Artikel: Der im Bild mit "Grunntone" markierte 8. Teilton entspricht wieder dem Grundton. Dies ist der 7. Oberton. Entspechend sind alle Nummern um eins höher als bei der hier gebrauchten Zählweise. Dies kommt daher, dass der Grundton selbst schon der 1. Teilton ist. Der erste Oberton entspricht dem 2. Teilton.


Um diesen Effekt zu prüfen habe ich die Obertöne 7 bis 15 (vierte Oktave, siehe oben: Tabelle 1, vierte Spalte) auf einer Maultrommel in G gespielt und aufgenommen. Die Töne wurde offen mit etwas Atem gespielt (blaue Kurven in Abbildung 8) oder mit geschlossener Stimmritze/Glottis (gelbe Kurven) bzw. am Gaumen verschlossen (Laut "ng", rote Kurven). Mit Audacity wurden die Frequenzanalysen der Aufnahmen gemacht, getrennt nach einzelnen Tönen und Spielweisen. Abbildung 8 zeigt exemplarisch die Ergebnisse für den 10ten und 11ten Oberton. Zum Vergleich wurde der Klang der gleichen Maultrommel ohne Resonanz analysiert. Dazu wurde der Maultrommelrahmen auf einer Seite in einem Schraubstock fixiert, die Metallzunge gezupft und aufgenommen. (Abbildung 8 unten, "Schraubstock"). Diese Kurve ist auch in Abbildung 3 zu sehen.


Abbildung 8

Resonanzen mit offener und geschlossener Mundhöhle

Ohne Resonanz sind die geradzahligen Obertöne lauter als die ungeraden (unten,"Schraubstock"). Das ist normal bei den Oberschwingungen einer Feder, die an einem Ende befestigt ist. Wenn am Mund bewußt der 10te Oberton gespielt wird (etwa Ton cis3), dann wird der entsprechende Peak deutlich verstärkt, sowohl bei offener als auch bei geschlossener ("Gaumen", "Glottis") Spielweise (Abbildung 8 oben). Bei geschlossenen Resonanzräumen scheint der Peak sogar etwas höher zu sein als bei geschlossenen, der Ton wird also deutlicher hervorgehoben.
Der 11te Oberton (Ton d3) ist ohne Resonanz ("Schraubstock")leiser als die benachbarten geradzahligen Töne, angezeigt durch den kleineren Peak (unteres Diagramm, "Schraubstock"). Nur bei offener Spielweise wird dieser Ton ausreichend verstärkt, um wenigstens etwas stärker als die benachbarten zu sein (mittleres Diagramm). Geschlossenes Spiel verstärkt den gleichen Frequenzbereich, aber der 11te Peak wird weiterhin von den benachbarten überragt. Auf diese Weise ist der Ton d also nicht deutlich hörbar.

Noch deutlicher wird dies, wenn alle geradzahlige und ungeradzahlige Obertöne ausgewertet werden. Die Lautstärke der geweils gespielten Töne (Peaks) wurde mit den Nachbartönen verglichen. Dazu wurde vom dB-Wertes des jeweiligen Peaks der Mittelwert der Nachbarpeaks abgezogen. Wenn die Differenz positiv ist steht der Peak aus seiner Umgebung heraus - der Ton ist deutlich zu hören. In Abbildung 9 sind die Mittelwerte dieser Differenzen für die geraden und ungeraden Obertöne aufgetragen (die Fehlerbalken zeigen die Standardabweichungen).

Abbildung 9

Resonanzen mit offener 
      und geschlossener Mundhöhle: Mittel der Lautstärke-Differenz von gespielten Tönen und ihren Nachbarn

Nur bei offener Spielweise können die ungeraden Obertöne deutlich hörbar gemacht werden. Die geschlossenen Spielweisen "Gaumen" und "Glottis" verstärken die geraden Obertöne sehr deutlich, die ungeraden aber unzureichend - sie "verschwinden" zwischen den Nachbar-Obertönen.
Die Säulen rechts in der Abbildung ("Schraubstock") spiegeln den typischen Wechsel von großen und kleinen Peaks (wegen der an einem Ende befestigten Feder = Maultrommelzunge; siehe oben).

Die entsprechenden Tonleitern zum anhören:

Tonleiter offen = Klangbeispiel 16
Tonleiter am Gaumen geschlossen gespielt
Tonleiter mit geschlossener Stimmritze (Glottis) gespielt

Die Frequenzanalyse bestätigt also die Erfahrung, dass geradzahlige Obertöne am deutlichsten geschlossen, ungeradzahlige aber offen gespielt werden können. Der Grund für diesen Effekt ist mir bislang nicht klar.


Das wars zur Theorie, zum Schluss Musik (339 KB).

Maultrommelmusik aufschreiben? Klangbeispiel "Musik" in Notenschrift (27 KB)


Literatur


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