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mehrerer Maultrommeln |
Frequenzanalysen: Audacity weitere
Berechnung und Darstellung der exportierten Frequenzdaten:
Libreoffice-Calc und -Draw
In diesem Kapitel geht es um Hintergrundwissen: Es beginnt mit der Tonerzeugung
und den ganz bestimmten Tönen der Maultrommeln, die bei jedem Instrument je
nach Stimmung festgelegt sind - die Naturtonreihe . Den Klang
bestimmen die Resonanzen im Mund- und Rachenraum des Spielers. Mit diesen Resonanzräumen
wird die Maultrommel gespielt - Mund und Rachen bilden auch die Laute beim
Sprechen sind daher gut geübte Klangorgane.
Tonerzeugung
Die Maultrommel ist schwer in das System der Musikinstrumente einzuordnen.
Sie wird einerseits zu den Idiophonen, den Selbstklingern gestellt, deren
Töne durch Eigenschwingung hervorgebracht werden, und zwar zusammen mit den
Spieldosen zu den Zupfidiophonen: Die Töne werden durch eine
selbstschwingende Zunge erzeugt, die angerissen oder gezupft wird.
Andererseits gehören die Maultrommeln zu den Aerophonen, deren Töne durch
schwingende Luftsäulen (z.B. Flöten) oder schwingenden Luftstrom
(Harmonikainstrumente, z.B. Mundharmonika, Akkordeon) erzeugt werden. Die
Verwandtschaft zu den Harmonikainstrumenten zeigt sich, wenn die Zunge von
selbst auch ohne Zupfen zu klingen beginnt, wenn durch die an die Lippen
bzw. Zähne gehaltene Maultrommel Luft eingesogen oder ausgestoßen wird.
Clemens Voigt von Dan Moi (siehe Internet-Links)
verriet mir wie der Effekt funktioniert: Die Zunge darf nicht ganz mit dem
Rahmen in einer Ebene sein, und der Luftstrom muss sie zurück zum Rahmen
ziehen (Abbildung 1, Maultrommel im Querschnitt).
Abbildung 1
Bei Bügelmaultrommeln kann man beim Halten der Maultrommel wie auf Abbildung
1 im Kapitel Spieltechnik die Basis der Zunge mit dem Daumen leicht drücken
und dann Luft anziehen. Jetzt funktioniert die Maultrommel wie eine
Mundharmonika: Auch bei den Harmonikainstrumenten wird eine Metallzunge
durch einen Luftstrom zum Schwingen angeregt. In Klangbeispiel
14 (64 KB) hört man zuerst den Ton c auf einer
Mundharmonika, dann auf der Maultrommel normal gezupft und dann durch
eingesogene Luft auf der Maultrommel angeregt.
Die spielbaren Töne:
Naturtonreihe |
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In unserem üblicherweise verwendeten Tonsystem ist die Oktave in 12 gleiche
Halbtöne geteilt (temperierte oder enharmonische Stimmung). Das bedeutet,
dass die Anzahl Schwingungen pro Sekunde irgendeines Tones mit dem immer
gleichen Faktor multipliziert die Schwingungen des nächsthöheren Halbtones
ergibt. Dieser Faktor ist genau so groß, dass eine 12 mal damit wieder und
wieder multiplizierte Schwingungszahl genau verdoppelt wird, also wieder den
gleichen Ton eine Oktave höher ergibt (zwölfte Wurzel aus zwei = 1,059463).
Da benachbarte Halbtöne immer um den gleichen Faktor unterschiedlich
schwingen, ist die absolute Differenz der Schwingungen bei tiefen Tönen
geringer als bei hohen.
Die Tonreihen der Maultrommeln (und aller anderen Naturton-Instrumente) sind
anders aufgebaut: Die Metallzunge jeder Maultrommel schwingt in einem
bestimmten Grundton, z.B. Ton G:
98 mal je Sekunde (Frequenz = 98 Hz) oder z.B. Ton B1 (58,3 Hz). Mit dem
Grundton schwingen immer zugleich die
Obertöne mit. Bei einem
sogenannten harmonischen Klang,
wie ihn die Maultrommelzunge erzeugt, sind ihre Frequenzen die Vielfachen
der Frequenz des Grundtons. Die Maultrommel in G spielt sozusagen das Ein
Mal 98, die in B1 das Ein Mal 58,3. Das ist in Abbildung 2 zu sehen: Der
Klang einer Maultrommel in B1 wurde frei, ohne Kontakt zum Mund d.h. ohne
Resonanzen aufgenommen (Klangbeispiel
15a, 126 kB). Mit dem Freeware-Programm Audacity wurde das
Frequenzspektrumder Aufnahme bestimmt. Jede Spitze der grünen Kurve zeigt
einen Ton der Metallzunge. Die Töne liegen ganz gleichmäßig etwa alle 58
Hz. Die erste Spitze unter dem ersten grauen Dreieck ist der Grundton.
Dannfolgt als kleine Spitze der erste Oberton, als größere Spitze der zweite
Oberton usw. Die gelbe Kurve zeigtdas Frequenzspektrum einer Aufnahme der
selben Maultrommel normal am Mund gespielt, also mit Resonanz (Klangbeispiel
15b, 130 kB).
Anmerkung: Ohne Resonanz (grüne Kurve) sind die von links
gezähltungeraden Obertöne (1., 3. usw.) leiser als die geraden (2., 4.
usw). Das ist typisch für Federn, die an einer Seite befestigtsind und an
der anderen frei schwingen. Der Grund ist Physik: Am freien Ende bilden
sich besser Schwingungsbäuche als Schwingungsknoten. Für weitere
Erklärungen siehe die Literatur unten auf dieser
Seite.
Abbildung
2
Grundton und Obertöne bilden die Naturtonreihe. Der erste Oberton schwingt
doppelt so schnell wie der Grundton, ist also eine Oktave höher (in
Abbildung 2 Ton B, unter dem zweiten Dreieck). Töne innerhalb dieserOktave
spielt die Maultrommel nicht. Die nächste Oktave (Ton b) schwingt wieder
doppelt so schnell, also viermal wie der Grundton (3. Dreieck, dritter
Oberton, 58,3 Hz x 4 = 233,2 Hz). Hier gibt es einen Zwischenton:3 x 58,3 Hz
= 174,9 Hz, das entspricht ungefähr dem Ton f, der in der enharmonischen
Stimmung 174,6 Hz hat (zweiter Oberton). In die nächste Oktave bis b1
(viertes Dreieck) fallen schon drei Zwischentöne. So werden die Tonabstände
der spielbaren Naturtonreihe, im Beispiel also des Ein Mal 58,3, nach oben
hin immer enger.
Ein weitere Beispiel zeigt die Animation in Abbildung 3. Die graue Kurve ist
das Frequenzspektrum einer Maultrommel in G ohne Resonanzen: Sie wurde in
einen Schraubstock gespannt, gezupft und aufgenommen. Die roten Kurven
zeigen die Frequenzspektren der selben Maultrommel normal am Mund gespielt,
also mit Resonanz. Die Animation zeigt nacheinander die Spektren der
Einzeltöne einer Tonleiter, die auf der Maultrommel gespielt wurde (Klangbeispiel
16, 260 kB). Die Resonanzen im Mundraum verstärken dabei immer höhere
Frequenzbereiche des Spektrums. Dazu unten mehr.
Abbildung 3
(x-Achse: Frequenz in Hz; y-Achse: Pegel in dB)
Robert Vandré, 2016
Die spielbaren Naturtöne entsprechen nicht
genau den Tönen der enharmonischen Tonleiter. Der 10. Oberton liegt fast
genau zwischen zwei Halbtöne der Tonleiter. Diese Abweichungen der
Obertöne von den Tonleitertönen werden in hundertstel Halbtönen, den so
genannten Cent, angegeben. Grundtöne aus dem enharmonischen
Tonleitersystem passen sich mit ihren Obertönen immer gleich in dieses
System ein: Der 10. Oberton weicht bei jedem Grundton um 49 Cent vom
Tonleiterton ab.
Tabelle 1 zeigt vom Grundton ausgehend, wie sich die Naturtonreihe
(dunkelgrau hinterlegt) in die normale Tonskala (hellgrau) einpasst. Dies
gibt also einen Überblick, welche Melodietöne auf Maultrommeln gespielt
werden können. Vor allem bei hoch gestimmten Maultrommeln liegen größere
Lücken zwischen den spielbaren Tönen. Eine Übersicht über die
absoluten Naturtonreihen aller gestimmten Maultrommeln gibt eine
ausführlichere Naturtontabelle
(mit Erläuterungen als pdf, 68 KB).
Tabelle 1
Erläuterung rechts und/oder unten im Anschluss
Erläuterung
Die enharmonischen Skala ist vom Maultrommel-Grundton aus von links oben
nach rechts unten fortschreitend dargestellt. Die Töne stehen von tiefen
zu höheren untereinander.
Jede graue Spalte stellt eine Oktave mit 12 Halbtönen und dem ersten Ton
der folgenden Oktave dar. Die Töne und ihre Oktaven stehen zeilenweise
nebeneinander. Die erste Spalte reicht vom Grundton der Maultrommel bis
zur 1. Oktave, die zweite beginnt mit der 1. Oktave bis zur 2. und so
fort.
Der Grundton und seine Obertöne sind dunkelgrau hinterlegt.
Die fette Zahl gibt die Nummer des Obertons an, die kleine kursive die
Abweichung des Obertons von der enharmonischen Tonskala in Cent. Negative
Zahlen bedeuten Abweichungen nach unten.
Rechts und links von den grauen Spalten sind die Dur- und Moll-Tonleiter
auf dem Grundton der Maultrommel als Kreise dargestellt. Unter der Tabelle
ist durch Linien dargestellt, welche Oktaven der Naturtonreihe in etwa im
Bereich der Resonanzen des Mund- und Rachenraums liegen und also gespielt
werden können. Die dicke Linie bezeichnet die Hauptresonanz (2. Formant,
siehe unten), die dünne die tiefere Nebenresonanz (1. Formant, siehe
unten).
Maultrommeln mit tieferem Grundton können mehr Zwischentöne spielen als
solche mit höherem. So spielt z.B. eine Maultrommel mit dem Grundton A1
(55 Hz) das Ein Mal 55, während die Maultrommel der Klangbeispiele in G
das Ein Mal 98 als Tonreihe hat. Alle 55 Hz ein Oberton ergibt natürlich
mehr Schritte im Resonanzbereich zwischen 250 und 2000 Hz als einer alle
98 Hz.
In Klangbeispiel 16 (260 kB) sind
nacheinander die 9 spielbaren Töne der 4. Oktave (4. Spalte der Tabelle)
auf einer Maultrommel in G zu hören.
Resonanzräume: Klänge und
Töne, Melodie und Begleitung |
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Bei der Maultrommel machen die Resonanzen der Hohlräume im Kopf-
und Brustbereich die Musik. Die Maultrommel schnarrt vor dem Mund. Sie
regt dabei die in den Hohlräumen in Kopf, Hals und Brust eingeschlossene
Luft zum mitschwingen an. Dieser Gleichklang zwischen zwei Schwingungen,
die sich verstärken, wird in der Physik Resonanz genannt. Die schwingende
Luft verstärkt dabei - je nach dem wie die Hohlräume gerade geformt sind -
bestimmte Töne der Naturtonreihe der Maultrommelzunge. Das ist in
Abbildung 2 und 3 zu sehen: Normal am Mund gespielt (gelbe bzw. rote
Frequenzspektren) hat die Maultrommel die gleichen Töne wie allein ohne
Mund (grünes bzw. graues Spektrum), d.h. die Spitzen liegen bei genau den
gleichen Frequenzen. Der Klang ist aber durch Resonanz verändert, und
bestimmte Frequenzbereiche sind hervorgehoben. Solche durch Resonanz
hervorgehobenen Frequenzbereiche nennt man Formanten. Die
Resonanzen des Mundraumes und der anderen Hohlräume sind also Filter, die
den vorgegebenen Klang der Maultrommelzunge an bestimmten
Frequenzbereichen (den Formanten) verstärken und an anderen abschwächen -
so wie ein Equalizer den Klang elektronisch beeinflusst, d.h. filtert.
Das Frequenzspektrum des Resonanzraum-"Filters" kann man sichtbar
machen: In Abbildung 4 oben wurde für einen Ton aus der Tonserie in
Abbildung 3 (vgl. Klangbeispiel 16 -
11.Oberton) von der Frequenzkurve des gespielten Tones diejenige der
Maultrommel alleine abgezogen. Die resultierende Differenzkurve zeigt den
Verstärkungs- und Abschwächungseffekt der Resonanz. Etwa bei 1200 Hz zeigt
sich der Formant als "Gipfel". Entsprechend liegt hier der gespielte Ton.
Den Filter kann man auch direkt hörbar machen: Bei gleicher Mund- und
Zungenstellung, aber ohne Maultrommel, wurde mit der Hand an den Winkel
der leicht geöffneten Lippen geklopft. Das Frequenzspektrum dieses Klangs
hat einen ähnlichen Verlauf wie die Differenzkurve, wieder mit dem
Formanten um 1200 Hz (Abbildung 4 unten).
Abbildung 4
Zwischenergebnis: Die Töne einer Maultrommel liegen unveränderlich fest.
Der Klang aber ist sehr variabel und reagiert auf feinste Veränderungen
der Resonanzen im Mund, zum Beispiel durch Bewegungen der Zunge.
Mehrere Formanten können
gleichzeitig wirksam sein. Dazu mit Klangbeispiel
17 (70 KB) ein kleines Experiment auf einer Maultrommel in C: Die
Maultrommel wird 12 mal gezupft. Die ersten vier Schläge spiele ich den Ton
e3 und dazu als tiefe Begleitung den Ton g1 (Abbildung 4, grüne Kurve). Die
nächsten vier Schläge sind die Töne g und e vertauscht: Ich spiele den Ton
g3 und dazu tief e1 (Abbildung 4, rote Kurve). e1 ist der 4. Oberton einer
Maultrommel in C. Die letzten vier Schläge spiele ich "offen", d.h. wie beim
Vokal a (nicht in Abbildung 5 dargestellt). Abbildung 5 zeigt nicht die
ganzen Frequenzspektren, sondern nur die Frequenzspitzen. Die
hervorgehobenen Klangbereiche, also die Formanten, sind als Berge zu sehen,
deren Gipfel nahe bei den Tönen liegen, die ich spielen wollte. Wieder
liegen die Frequenzspitzen beider Kurven bei den gleichen Frequenzen.
Abbildung 5
Der am deutlichsten hörbare Frequenzbereich der Maultrommel liegt etwa
zwischen 500 und 2000 Hz. Hier liegen auch die höchsten Gipfel der beiden
Klänge/Kurven in Abbildung 4 (blau hinterlegt). Dies ist der 2. Formant
des Vokaltraktes. Vokaltrakt nennt man die Resonanzräume oberhalb
der Stimmritze, die beim Sprechen wesentlich für die Klangbildung sind. Mit
dem 2. Formanten kann man Melodien auf der Maultrommel spielen (siehe
Spieltechniken: Melodiespiel). Auch
der tiefere und weniger deutliche 1. Formant im Bereich 250 bis 1000
Hz, ebenfalls bei der Sprachbildung wichtig, kann mit der Maultrommel hörbar
gemacht werden - etwa für Begleittöne. In Abbildung 4 zeigt er sich bei den
linken, niedrigeren Kurvengipfeln (rot hinterlegt). Im Stück "Kein schöner
Land" (siehe Musikstücke) ist die erste Strophe
ohne, die zweite mit hervorgehobenen Begleittönen gespielt.
Verschiedene Resonanzräume und Organe im Kopf und Hals sind in Abbildung 6
links dargestellt. Vor allem die Zunge und die Stimmritze bestimmen den
Klang beim Maultrommelspielen. Rechts sind die Bereiche im Mund- und
Halsbereich hervorgehoben, die sich bewegen, wenn beim Melodiespiel der 1.
(rot) und der 2. Formant (blau) verändert werden.
Abbildung 6
Die Form des Vokaltraktes bestimmt die Resonanzen und Formanten. Die
Bewegungen des Kehlkopfes, der Zunge, des Unterkiefers und der Lippen
beeinflussen den Klang beim Sprechen und beim Maultrommel Spielen. Laut der
Literatur sind die Zusammenhänge zwischen der Form
des Vokaltraktes und den Formanten komplex. Zwei Grundprinzipien könne sich
aber mit einem einfachen Flaschenexperiment nachvollziehen lassen. Dabei ist
die Flasche ein Modell für den Vokaltrakt. Die Öffnung entspricht dem
geöffneten Mund. Wenn man über die Flaschenöffnung bläst wie über eine
Panflöte, kann man den Klang des Flaschenhohlraums als Ton hören.
Verschieden geformte Flaschen haben - auch bei gleichem Volumen -
verschiedene Tonhöhen. Hier wurden verschieden geformten 1l-Plastikflaschen
verwendet (Abbildung 7): Der Ton wird tiefer, wenn der Hohlraum nahe der
Öffnung verengt wird oder wenn er am entgegengesetzten Ende erweitert wird.
Entsprechend klingt die bauchige Flasche mit schmalem Hals (links) tiefer
als die gleichmäßig geformte Flasche (Mitte). Eine Verkleinerung oder
Verkürzung des Hohlraumes erhöht den Ton. Daher wird der Flaschenton höher,
wenn die Flasche teilweise mit Wasser gefüllt wird (rechts).
Abbildung 7
Ein Maultrommelspieler kann also, in dem er den Vokaltrakt verformt, einen
bestimmten Umfang an Tonfrequenzen verstärken. Dieser Umfang ist nicht
abhängig vom Grundton der Maultrommel. Welche Obertöne innerhalb dieses
Tonumfanges durch die Maultrommel angeregt werden, das jedoch hängt vom
Grundton und seinen Obertönen ab. Regina Plate gibt einen Bereich von 500
bis 2000 Hz an, den der Mund verstärken kann, also zwei Oktaven. Nach meiner
Erfahrung reicht der Tonumfang etwas weiter, bis etwa 2300 Hz. Nach unten zu
wird der tiefe Resonanzbereich des 1. Formanten ab ca. 250 Hz wirksam. Der
Tonumfang des Mundes als Resonanzraum ist sicher bei jedem Spieler
verschieden. Ausgehend vom Grundton der Maultrommel kann man in der Naturtontabelle
(pdf, 69 kB) die spielbaren Töne nachschauen.
Offener und geschlossener
Vokaltrakt |
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Wenn man mit etwas Atem Maultrommel spielt, ist der Vokaltrakt zum Mund hin
und zur Lunge hin offen. Wenn man dagegen die Stimmritze schließt (siehe
Spieltechnik, Effekte), oder wenn
die Zunge den Mundraum am Gaumen verschließt, wie wenn man den Laut "ng" in
der Nachsilbe "-ung" spricht, dann ist der Vokaltrakt nur zum Mund hin
offen, zur anderen Seite aber geschlosen. Mit einem "geschlossenen"
Resonanzraum klingt die Maultrommel anders, und die Tonleiter zeigt folgende
Eigenart: Die geradzahligen Obertöne (das heißt die Obertöne mit geraden
Nummern in Tabelle 1, siehe weiter oben) werden gut verstärkt und können
deutlich gespielt werden, ungeradzahligen dagegen nicht. Mit "offenen
Resonanzräumen können geradzahlige wie ungeradzahlige Töne gespielt werden.
Beispielsweise in der traditionellen Maultrommelmusik in Norwegen spielen
die Musiker die jeweiligen Töne der Tonleiter entsprechend offen und
geschlossen. Das wird auf dem folgenden Bild aus einem Kurs des Norwegischen
Maultrommelforums (Norsk Munnharpeforum) gezeigt.
Quelle:
www.munnharpe.no/nmf_festivalar.html ,
2015
Åpen = offen, Lukket = geschlossen.
Die Zählung ist leider anders als in diesem Artikel: Der im Bild mit
"Grunntone" markierte
8. Teilton entspricht wieder dem Grundton.
Dies ist der
7. Oberton. Entspechend sind alle Nummern um eins
höher als bei der hier gebrauchten Zählweise. Dies kommt daher, dass der
Grundton selbst schon der 1. Teilton ist. Der erste Oberton entspricht dem
2. Teilton.
Um diesen Effekt zu prüfen habe ich die Obertöne 7 bis 15 (vierte Oktave,
siehe oben: Tabelle 1, vierte Spalte) auf einer Maultrommel in G gespielt
und aufgenommen. Die Töne wurde offen mit etwas Atem gespielt (blaue Kurven
in Abbildung 8) oder mit geschlossener Stimmritze/Glottis (gelbe Kurven)
bzw. am Gaumen verschlossen (Laut "ng", rote Kurven). Mit Audacity wurden
die Frequenzanalysen der Aufnahmen gemacht, getrennt nach einzelnen Tönen
und Spielweisen. Abbildung 8 zeigt exemplarisch die Ergebnisse für den 10ten
und 11ten Oberton. Zum Vergleich wurde der Klang der gleichen Maultrommel
ohne Resonanz analysiert. Dazu wurde der Maultrommelrahmen auf einer Seite
in einem Schraubstock fixiert, die Metallzunge gezupft und aufgenommen.
(Abbildung 8 unten, "Schraubstock"). Diese Kurve ist auch in Abbildung 3 zu
sehen.
Abbildung 8
Ohne Resonanz sind die geradzahligen Obertöne lauter als die ungeraden
(unten,"Schraubstock"). Das ist normal bei den Oberschwingungen einer Feder,
die an einem Ende befestigt ist. Wenn am Mund bewußt der 10te Oberton
gespielt wird (etwa Ton cis3), dann wird der entsprechende Peak
deutlich verstärkt, sowohl bei offener als auch bei geschlossener ("Gaumen",
"Glottis") Spielweise (Abbildung 8 oben). Bei geschlossenen Resonanzräumen
scheint der Peak sogar etwas höher zu sein als bei geschlossenen, der Ton
wird also deutlicher hervorgehoben.
Der 11te Oberton (Ton d3) ist ohne Resonanz
("Schraubstock")leiser als die benachbarten geradzahligen Töne, angezeigt
durch den kleineren Peak (unteres Diagramm, "Schraubstock"). Nur bei offener
Spielweise wird dieser Ton ausreichend verstärkt, um wenigstens etwas
stärker als die benachbarten zu sein (mittleres Diagramm). Geschlossenes
Spiel verstärkt den gleichen Frequenzbereich, aber der 11te Peak wird
weiterhin von den benachbarten überragt. Auf diese Weise ist der Ton d also
nicht deutlich hörbar.
Noch deutlicher wird dies, wenn alle geradzahlige und ungeradzahlige
Obertöne ausgewertet werden. Die Lautstärke der geweils gespielten Töne
(Peaks) wurde mit den Nachbartönen verglichen. Dazu wurde vom dB-Wertes des
jeweiligen Peaks der Mittelwert der Nachbarpeaks abgezogen. Wenn die
Differenz positiv ist steht der Peak aus seiner Umgebung heraus - der Ton
ist deutlich zu hören. In Abbildung 9 sind die Mittelwerte dieser
Differenzen für die geraden und ungeraden Obertöne aufgetragen (die
Fehlerbalken zeigen die Standardabweichungen).
Abbildung 9
Nur bei offener Spielweise können die ungeraden Obertöne deutlich hörbar
gemacht werden. Die geschlossenen Spielweisen "Gaumen" und "Glottis"
verstärken die geraden Obertöne sehr deutlich, die ungeraden aber
unzureichend - sie "verschwinden" zwischen den Nachbar-Obertönen.
Die Säulen rechts in der Abbildung ("Schraubstock") spiegeln den typischen
Wechsel von großen und kleinen Peaks (wegen der an einem Ende befestigten
Feder = Maultrommelzunge; siehe oben).
Die entsprechenden Tonleitern zum anhören:
Tonleiter offen = Klangbeispiel 16
Tonleiter am Gaumen geschlossen gespielt
Tonleiter mit geschlossener Stimmritze (Glottis)
gespielt
Die Frequenzanalyse bestätigt also die Erfahrung, dass geradzahlige Obertöne
am deutlichsten geschlossen, ungeradzahlige aber offen gespielt werden
können. Der Grund für diesen Effekt ist mir bislang nicht klar.
Das wars zur Theorie, zum Schluss Musik
(339 KB).
Maultrommelmusik
aufschreiben? Klangbeispiel "Musik" in Notenschrift (27 KB)
Literatur
- Anonymus: Physics 1, Fundamentals: Module 3 Oscillations
& Waves. Standing Waves, Doppler Effect. The University of
Sydney, School of Physics,
www.physics.usyd.edu.au/teach_res/jp/waves/waves111011.doc (March
2009)
- B.J. Kröger: Artikulatorische und akustische Phonetik - Ein
Kurzüberblick. http://www.speechtrainer.eu/ (Dezember 2008)
- U. Michels: dtv-Atlas zur Musik. Band 1. Deutscher Taschenbuch
Verlag, München, 1994
- B. Myer: Vocal Basics. Der Weg vom Sprechen zum Singen. AMA Verlag,
Brühl, 1998
- R. Nave: Forming the Vowel Sounds.
http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/hbase/music/vowel.html (Dezember
2008)
- R. Plate: Kulturgeschichte der Maultrommel. Verlag für
systematische Musikwissenschaft, Bonn, 1992
- P. Rennert; H. Schmiedel (Hrsg): Physik. BI Wissenschaftsverlag,
Mannheim, 1995
- T. Sylvain: Helmholtz & coupled resonators acoustics In jew's
harp playing. Master Thesis: Master in Traditional Arts. Telemark
University College, Faculty of Arts, Folk Culture and Teacher
Education, 2010
- H.G. Tillmann; F. Schiel: Akustische Phonetik - Kapitel II: Was ist
Sprachschall?
http://www.phonetik.uni-muenchen.de/studium/skripten/AP/APKap2.html
(Dezember 2008)
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